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St. Lucia, Zimmer Nr. 5

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Reiseblog St. Lucia

Es würde meine letzte Reise dieser Art sein: Ein letztes Mal einen 15 kg-Rucksack packen, zwei Wochen lang maximal viel sehen und erleben wollen und vor allen Dingen nicht auf’s Geld schauen müssen. Und zu diesem besonderen Ereignis sollte es wieder in die Karibik gehen, die es mir seit Kuba, Jamaika und der Dominikanischen Republik angetan hatte. Die Wahl auf die beiden Inseln St. Lucia und Antigua fiel mehr zufällig als ausgiebig recherchiert…

Außer den Flügen hatte ich nichts gebucht und wollte den Rest dem Schicksal überlassen. Im Flieger mal wieder auf der falschen Seite gesessen, blieb beim Anflug der Blick auf die Insel mit dem dazu gehörigen Aaah-Geräusch aus und somit landete ich am frühen Nachmittag im Süden der Insel St. Lucia, die gerade mal etwas kleiner als Hamburg ist. Nur wenige Minuten später im Taxi sitzend war bereits klar, dass ich diese Insel lieben würde.

Obwohl die Serpentinen mit ihren unzähligen Höhen, Tiefen und Schrägen in Kombination mit der abenteuerlichen Fahrweise des Taxifahrers meinen Magen maximal auf die Probe stellten, konnte mir die traumhafte Umgebung nicht entgehen: Auf der einen Seite die Küste, auf der anderen Seite satt grüner Regenwald. So könnte das Paradies aussehen, dachte ich mir.

Bildschirmfoto 2015-11-15 um 23.17.47
Mein erstes Ziel sollte der Ort Soufrière im Südwesten der Insel sein. Nachdem der Taxifahrer nach einer halben Stunde das deutsche Pärchen, mit dem ich mir die Fahrt teilte, an einem schicken Boutique-Hotel mit dem verlockenden Namen »Chocolat« absetzte, endete meine Fahrt vor dem kompletten Gegensatz. Das Downtown Hotel machte seinem Namen alle Ehre, denn downtowner kann man nicht wohnen. Auf der einen Seite die Kirche mit dem zentralen Park, auf der anderen Seite das Meer mit Blick auf einen der beiden Pitons, den prägnanten Vulkanhügeln der Insel.

St. Lucia Soufriere
Hier wollte ich mich für zwei Tage niederlassen und die weitere Rundreise über die Insel planen, aber es kam ganz anders. Bereits am nächsten Morgen kündigte sich eine Mandelentzündung an, die sich kurze Zeit später in eine unschöne Grippe verwandelte. So verlängerte ich meinen Aufenthalt in diesem Hotel von Tag zu Tag. In den letzten 16 Jahren war ich nicht mehr so lange an einem Stück krank – Warum also nun genau jetzt und ausgerechnet hier, an diesem wunderschönen Ort?

St. Lucia Soufriere Blog St. Lucia Insel
Langsam begann ich, mich mit meinem Schicksal abzufinden. Da lag ich nun jeden Tag von morgens bis abends in meinem Bett mit offener Balkontür, wo mich früh morgens die lauten Kirchenglocken und Sonnenstrahlen weckten und abends der große runde Mond zwischen dichten Wolken hervorblinzelnd Gute Nacht sagte. Schnell hatte sich ein auf das Nötigste reduzierter Tagesablauf eingespielt.

Morgens um 9 Uhr stand ich im größten kleinen Supermarkt und besorgte die Lebensmittel, die mich bis zum Abend versorgen würden. Am Abend saß ich meist um die Ecke im kleinen Restaurant »Petit Peak« mit einem Piton-Bier auf dem Tisch, dem Blick auf das Meer und Menschen, die sich abends an diesem kleinen Hafen versammelten.

St. Lucia Streets St. Lucia Straßenleben
Normaler Weise wäre ich nach zwei Tagen Sightseeing einfach weitergezogen. Aber durch die notgedrungene Verlängerung konnte ich endlich einmal das erfahren, was mir bisher aus Zeitgründen sonst so oft auf Reisen verwehrt bleibt: Das intimere Verhältnis zu einem Ort. Bereits am zweiten Tag kaufte ich schon mehr Früchte ein, weil mir trotz des kurzen Weges vom Supermarkt zum Hotel immer ein Mann über den Weg lief, der mich um Essen anbettelte. Er schien irgendwie zurückgeblieben zu sein und hatte etwas sehr Liebenswertes an sich, was sich auch an seinem breiten Lächeln zeigte, sobald ich ihm die frischen Bananen oder Mangos in die Hand drückte.

Da ich fast nie Medikamente dabei habe, lernte ich auch notgedrungen die kleine Apotheke kennen, die man von außen auf den ersten Blick nicht als solche erkennen würde. Der Arzt des Ortes wäre im Hinterhof gewesen, den ich allerdings erst in letzter Instanz aufgesucht hätte und begnügte mich daher mit Paracetamol, Vitamin C und einem Saft, der mich an das Sanostol aus meiner Kindheit erinnerte.

St. Lucia Soufriere Arzt Soufriere Apotheke Soufriere St. Lucia
Nach einigen Tagen drängte sich bei mir zum ersten Mal nach vielen Reisejahren die Frage auf, was eigentlich im Falle eines Falles passieren würde, wenn ich hier wirklich ernsthaft erkranken würde. Was wäre, wenn ich mir die schlimmste Form von Dengue-Fieber eingeholt hätte und in wenigen Tagen das Zeitliche segnen würde? Aufgrund dieses sehr unwahrscheinlichen Verlaufes lehnte ich mich mit der Antwort weit aus dem Fenster, indem ich mir sagte, dass es wohl keinen schöneren Ort auf der Welt geben würde, an dem man sterben könnte, wenn es sich denn nicht vermeiden ließ.

Am fünften Tag ging es dann endlich wieder aufwärts. Ich entschied mich für kurze Ausflüge in die Umgebung: Eine Plantage in der Nähe des Vulkans mit einer Menge an Früchten, die an das Schlaraffenland erinnerten, und den nahe gelegenen Botanischen Garten mit riesigen Blüten, duftenden Kräutern und Kolibris, die man hier endlich mal entspannt auf einem Ast sitzend statt hektisch umherschwirrend bewundern kann. Selbst die Moskitos schienen sich auf dieser Insel irgendwie langsamer zu bewegen.

St. Lucia Botanischer Garten St. Lucia Blumen St. Lucia Kaffee
Obwohl es am Kirchplatz oft laut zuging, schien alles andere so wahnsinnig friedlich. In die frühere Hauptstadt Soufrière verirrten sich offensichtlich nur wenige Touristen, die meist nur für ein paar Stunden mit dem Segelboot Halt machten oder in luxuriösen Resorts auf irgendeinem Berg wohnten. Gleichzeitig war das hier wohl die sauberste Insel, die ich je gesehen habe. Die Bewohner waren allgemein sehr höflich und auch das im Reiseführer angedeutete Problem, ständig angegraben und bereits nach fünf Minuten mit Heiratsanträgen überschüttet zu werden, bestätigte sich erfreulicher Weise nicht.

St. Lucia Sonnenuntergang
Für mich ist es einer der schönsten und romantischsten Flecken Erde der Welt und ich bin dem Schicksal dankbar dafür, dass ich genau an diesem Ort für diese vielen Tage fest hing. Meine weitere Fahrt in den Norden bis hoch zu Pigeon Island stellte sich zwar auch als eine sehr angenehme Strecke entlang der Küste mit schönen Stränden und netten kleinen Orten heraus, aber das war alles nicht mehr vergleichbar.

St. Lucia Strand Fotografie St. Lucia Strandhotel
Dann sitzt man am Ende in einem Restaurant mit einem atemberaubenden Blick auf das Meer und fragt sich, wo eigentlich das Paradies ist. Gibt es das überhaupt? Ist das nur eine Traumvorstellung oder sitze ich gerade mittendrin? Mit einem Cocktail in der Hand und einem frischen Fisch auf dem Teller beobachtete ich die Sonne bei ihrem Untergang, die mich in wenigen Stunden schon wieder aufwecken würde. Ich ging im Dunkeln zurück auf die gering beleuchtete Straße, vorbei am Friedhof und an Häusern, aus denen laute Musik drang, über die Brücke bis zum Kirchplatz, wo ich kurze Zeit später glücklich ins Bett meines Hotels von Zimmer Nr. 5 fiel.

St. Lucia Strand

 

REISETIPPS:

  • Sprache und Währung: Die Landessprache ist Englisch, die Landeswährung der Ostkaribische Dollar, aber man kann auch fast überall mit US Dollar bezahlen.
  • Auto: Auf St. Lucia herrscht Linksverkehr. Man kann sich gut ein Auto mieten, da die Insel relativ sicher ist und die Straßen in einem guten Zustand (obwohl von Reiseführern oft anders dargestellt).
  • Transfers: Taxen sind in Bezug auf den Preis meist Verhandlungssache, 45 Min. kosten bis zu 70 US$. Minibusse sind mit nur wenigen US $ recht günstig; sie fahren an bestimmten Stellen ab und fahren erst los, wenn alle Plätze belegt sind.
  • Backpacken ist – wie fast überall in der Karibik – nicht ganz einfach, weil es wenige Hostels oder Jugendherbergen gibt. Wer günstig reisen möchte, sollte vorher gut recherchieren. Alternativ kann man immer Taxifahrer ansprechen, die meist gute und günstige Unterkünfte kennen.
  • Sicherheit: St. Lucia gehört zu den sicheren Reisezielen. Ich habe mich dort problemlos, auch spät abends, überall aufhalten können.
  • Internet: Gibt es fast überall und superschnell. Auch in den öffentlichen Institutionen ist fast immer WIFI frei verfügbar, selbst mitten im Park im Restaurant.
  • Reiseführer: Hier gibt es leider nur ein geringes Angebot. Ich habe mir bei Amazon das Kapitel St. Lucia aus dem Karibik-Lonely Planet als Kindle-Version runtergeladen, das man dann auf dem Smartphone überall dabei hat. Der Marco Polo Karibik ist für die Insel St. Lucia allein zu dürftig. Einen schönen Überblick über alle karibische Inseln mit deren Highlights gibt das Buch Highlights Karibik.

 

Der Beitrag St. Lucia, Zimmer Nr. 5 erschien zuerst auf Reiseblog BRAVEBIRD.


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